Montag, 11. Juni 2018

Der Künstler und die Knospe

Der Künstler und die Knospe



In den Händen des Künstlers Mal Myrtaj werden aus Marmor und Bronze abstrakte und teils figürliche Skulpturen.

Der bis 2019 in Singen am Hohentwiel lebende Bildhauer, geboren 1953 in Peja/Kosovo, erhielt seine Ausbildung an der Akademie der Wissenschaften und Künste des Kosovo in Prishtina (Akademia e Shkencave dhe Arteve e Kosovës) bei Professor Agim Çavdarbasha.

Der Bildhauer Agim Çavdarbasha wirkte mit großem Einfluss auf die künstlerische gegenständliche skulpturelle Entwicklung des Kosovo.

Mal Myrtaj kam 1999 nach Deutschland. Zuerst von 1978 bis 1989 als Kunstprofessor für bildende Künste in Presheva und Peja tätig, musste Mal Myrtaj aufgrund des ersten Balkankrieges den Kosovo verlassen. Über die Schweiz fand er seinen Weg nach Singen am Hohentwiel.

Am Anfang in jeglichem Tun beschränkt seine Kunst weiter ausüben zu können, fand er eine Möglichkeit bei einem ortsansässigen Unternehmen als Bildhauer gestalterisch zu wirken. Dort fand Mal Myrtaj auch die Materialien vor, die ihm die Fortführung seiner hochwertigen Kunst ermöglichten. Marmor und Bronze.

Mit Hammer, Meißel und Flex wird das Material so lange bearbeitet, bis der ursprünglich beabsichtigte Ausdruck, Zusammenhang und Darstellung nicht mehr ersichtlich ist.

Die ursprüngliche Relation wird komplett abstrahiert. In den Händen von Mal Myrtaj formt sich Neues. Es ist, als ob das Material endlich seinen gedanklichen Sinn, Form und lange erwarteten Zustand erhält.

Mal Myrtaj befreit es aus seiner Starre. Es ist, als ob es endlich zu Leben beginnt.

Was dem Betrachter zunächst den Eindruck von Brachialgewalt vermittelt, ist in Wahrheit doch ein sanftes ja fast liebevolles Streicheln und sinnliche Hingabe des Künstlers an das Material.

Marmor wird Form. Bronze formt sich in die wahre Bestimmung.

2016 geworden in den Händen von Mal Myrtaj ist Anjezë Bojaxhiu – Mutter Teresa. Ihre Büste steht in Singen am Hohentwiel, umrahmt vom sanften Grün des Hegau. Die international beachtete Arbeit ist das neueste exponierte Werk des Künstlers.

Mein Name ist Anjezë Bojaxhiu. Meine Eltern nannten mich Gonxha, die Knospe. Zart war ich und sanftmütig. Das Vermächtnis meiner Eltern war ihre Liebe.

Ich liebte meine Eltern. Geboren wurde ich in Skopje. Jeder von uns bekommt eine Aufgabe mit seiner Geburt.

Und diese Aufgabe ist ein Geschenk des Vertrauens. Eine Aufgabe, die das Leben erfüllt.

Auch mein Leben war erfüllt. Meine Aufgabe war Liebe. Ehrlich und mit reinem Herzen. Vergebung.

Mein Weg war bestimmt. Er begann in Shkodër. Zu früh starb mein geliebter Vater. Ich war traurig und verzweifelt. Früh entschied ich mich für ein Leben als Ordensfrau, suchte Jesus. Mein Glaube gab mir die Kraft zu lieben. Zu vertrauen. Zu vergeben.

Mein Weg führte nach Indien. Dort fand Jesus mich. Er sprach zu mir zwei Worte. Mich dürstet.

Zuvor war ich nichts. Nun war ich wirklich bei Ihm. Was ich schuf und wie ich wirkte, kann in einer Nacht zerstört werden. So schuf ich es trotzdem. Schuf es nur aus diesem Grund. Heiter war ich und fröhlich. Manch einer war eifersüchtig. Das Gute das getan wird im Leben, getan werden muss, wird morgen vielleicht schon vergessen sein. Doch nie hörte ich auf Gutes zu tun, gab den Menschen das Beste was ich hatte. Auch wenn es ihnen nie genug war. Trotzdem gab ich ihnen mein Bestes.

Mein Leben war das erfüllte Leben mit den Armen. Für die Ärmsten der Armen. Für den Frieden. Barmherzigkeit und Mitgefühl. Das was du den Niedrigsten der Niedrigen antust, das tust du auch mir an. Mich dürstet.

Der Schrei eines unschuldigen, ungeborenen Kindes ist der größte Zerstörer des Friedens. Den Siechenden und Aussätzigen versuchte ich ein anderes, ein zweites Leben zu geben. Ein Leben in Würde.

Liebe gab ich ihnen, Kraft und Zuversicht. Doch zu Beginn und am Ende war es doch alles eine Angelegenheit zwischen mir und Gott. Sowieso war es nie eine Angelegenheit zwischen mir und anderen.

Seelig habt ihr mich gesprochen. Und Heilig. Und in meiner Heimat Kosovë habt ihr den Nationalfeiertag nach mir benannt. In Singen am Hohentwiel steht meine Büste. Geworden in den Händen von Mal Myrtaj.

Schaut mich an und haltet inne. Erinnert Euch was ist.

Doch vergesst den Weg in Euch nicht. Sucht und findet ihn. War ich doch nur ein einfacher Mensch der liebte, der vergab. Mit reinem Herzen. Vergebt mir.

Mutter Teresa

Mal Myrtaj ist seit 1978 Mitglied im Verein für Bildende Künste des Kosovo. Darüber hinaus ist er Mitglied im IBC Internationaler Bodensee-Club, Überlingen und im Kunstverein Singen am Hohentwiel. Unzählige Einzel- und Gemeinschaftsausstellungen in Deutschland, Schweiz sowie im Kosovo zeugen von seinen künstlerisch hochwertigen Werken.

International erwähnt und anerkannt, bezeugt Mal Myrtaj einmal mehr mit seinen Skulpturen sein herausragendes Können und seine Hingabe und Liebe zur Kunst. Mit seinen Arbeiten bildet er die Brücke zwischen den Kulturen und den Sprachen. Er bereitet den Weg, macht neugierig und regt an zu kulturellem Austausch, Verständigung, Innehalten und Zusammenhalt der europäischen Familie.


© Ralph Oberbillig


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